ULTRAS DYNAMO
Im Herbst des Jahres 2000 herrschte im Rudolf-Harbig-Stadion ein Totentanz. Es war die Zeit, als Dynamo viertklassig kickte, vom heutigen Zuschauerboom nicht ansatzweise etwas zu spüren war und für etliche Dynamos das Spiel erst mit dem Abpfiff begann.
Trotz oder eher gerade wegen all der Tiefschläge der vergangenen Jahre und der zu diesem Zeitpunkt mehr als schlechten Ausgangslage versuchten mehrere Gruppierungen die historisch gewachsene Fankultur in Dresden am Leben zu erhalten und ihr neue Impulse zu verleihen. Die Gruppen „Commando Elbhorde“ und „Eastside Dresden“, sowie später die „Yellow Madness“ und das „Dynamo Geschwader“ versuchten den Stadionalltag bunter zu gestalten. Sie orientierten sich dabei auch an den Tifosi aus Italien, welche mit dem Ultra’-Gedanken eine völlig andere und spektakuläre Art der Unterstützung betrieben. Vorrangig wurden vor allem mit dem ungehemmten Einsatz von Pyrotechnik, aber auch durch gezielte Animation von Stimmung durch ein Megafon, eine Verwirklichung italienischer Verhältnisse im RHS angestrebt. Schnell wurde allerdings erkannt, dass es nur gemeinsam funktionieren kann.
An einem Sonntag im Dezember 2000 saßen dann einige jugendliche Dynamofans zusammen und wollten eine neue Ära in Sachen Fankultur in Dresden einläuten. So wurden aus oben genannten Gruppen und einigen Einzelpersonen am 03.12.2000 die „Ultras Dynamo“ (UD) gegründet.
Schwarz und gelb – das sind unsere Farben
Die damaligen Verhältnisse im K‑Block hatten den Vorteil, dass man sich niemand unterordnen musste. Doch Anpassung gehörte von vorn herein nicht zu den hochgesteckten Zielen der neuen Gruppe. Der K‑Block als Motor der SGD und Ultras Dynamo als Sprit. Verständlicherweise stotterte der Motor zu Beginn noch, und die wahre Größe des Projekts wurde uns erst nach und nach bewusst. Anpacken war nun angesagt. Beginnend mit einer Heimfahne aus Plastik und „Choreovorbereitungen“, die lediglich im Testen von Pyro bestand, kamen alsbald Trommel, Zentralorgan, neue Lieder und die ersten gelungenen Choreos hinzu.
Aller Anfang war schwer, aber die Motivation umso größer. Erste Hürde waren die Missverständnisse zwischen den nun zwei Welten des Fanlebens. Diese entstanden vor allem im Rahmen der akustischen Unterstützung. Einerseits wollten wir uns ja im Block als tonangebende Instanz behaupten, andererseits wollten wir auch niemanden vor den Kopf stoßen. Doch wenn jugendlicher Leichtsinn auf Alterssturheit trifft, sind die Konflikte vorprogrammiert. Aus heutiger Sicht sind jene Auseinandersetzungen im Vergleich zu denen, mit den zu Top-Spielen zahlreich in Erscheinung tretenden Eventfans, aber geradezu nichtig. Nichtsdestotrotz wirkte UD lange wie ein Fremdkörper im Block. Nachdem man sich aber auf einen festen Standpunkt geeinigt hatte, steigerte sich auch die Anzahl an willigen Fans, die sich der akustischen Unterstützung der Mannschaft und des Vereins hingaben. Ein weiterer Meilenstein war sicherlich, dass sich ein Jugendlicher aus unseren Reihen eines Tages auf den Zaun schwang und die Lieder als so genannter Capo vorgab. Ab diesem Moment gab es mehr Koordination und auch die ein oder andere straffe Ansage dieses Herrn ließ den K‑Block neu aufleben. Dabei wurde durch mehr oder minder einfache Gassenhauer ein hohes Maß an Geschlossenheit und Lautstärke im Block erreicht.
Ein schwieriges Unterfangen stellte auch die Durchführung von Choreographien dar. Dem Publikum war nicht bekannt, was mit Zetteln, Folien oder Kassenrollen anzufangen ist. Die zeitlich und örtlich richtige Anordnung dieser Elemente war anfangs eine Herausforderung. Die wenigsten Stadionbesucher konnten damals nachvollziehen, was letztlich im Gesamtbild dargestellt werden soll. Das Internet steckte damals noch in den Kinderschuhen, an für nahezu jeden zugängliche Bilder aus anderen Stadien war vor dem Social Media Zeitalter nicht zu denken.
Die Anfertigung von zahlreichen Fotocollagen mit den besten Szenen abseits des Spielfeldes half hier und so konnten die Stadiongänger ihren Kumpels zeigen, was bei Dynamo so los war. Unsere Gruppe und der K‑Block hatten dadurch einen stetigen Zulauf zu verzeichnen. Noch weiter forciert wurde dies durch selbstgefertigte Spielankündigungen, welche verteilt oder in der Stadt plakatiert wurden. Der notorisch klamme Verein konnte sich zu diesem Zeitpunkt keine eigenen Ankündigungsplakate leisten. Am allmählichen Anstieg der Zuschauerzahlen damals hatten wir also unseren Anteil.
In der Aufstiegssaison 2001/2002 lief alles wie am Schnürchen. Die akustische Unterstützung stimmte, die Choreographien wurden besser und es gab eine vergleichsweise große und zu jedem Spiel anwesende Masse an Leuten. Da die Auswärtsfahrten in dieser Liga oft nur wenige Stunden dauerten, war auch dort stets eine große Masse mit dabei und sorgte für das gemeinsame Erlebnis „Auswärtsfahrt“. Zum Aufstiegsspiel gegen die Hertha Amateure führten wir erstmalig eine Choreo über die gesamte Stehplatzkurve durch. Ab diesem Spiel schafften wir es zudem das halbe Stadion in den Support einzubeziehen, auch wenn es am Anfang nur Klatschrythmen und äußerst einfache Lieder waren.
Auch abseits der Spielbegegnungen wurde UD bald aktiv. Durch den Schuldenberg aus der Otto-Zeit und völligem Chaos in der Buchhaltung drohte dem Verein kurzzeitig die Insolvenz. Wir halfen daher beim Sammeln von Spenden und bei der Durchführung einer Demonstration, die schließlich die Stadt Dresden zum Ausstellen eines Darlehens bewog. Da das RHS von den Stadtvätern dem völligen Verfall freigegeben wurde, halfen wir bei der Instandhaltung des Stadions.
Und bald war auch Red Kaos Zwickau fester Bestandteil unseres Alltags. Seit dem Sommer 2001 besteht die Freundschaft zu Red Kaos, den Ultras von der BSG Sachsenring Zwickau. Einige Mitglieder unserer Gruppen liefen sich damals wiederholt über den Weg und stellten fest, dass „die anderen“ auf einer Wellenlänge liegen. Nach einigen gegenseitigen Spielbesuchen und gemeinsamen Partys wurde eine offizielle Freundschaft besiegelt. Es sollten etliche gegenseitige Spielbesuche folgen, immer wieder fährt eine große Anzahl Dresdner nach Zwickau und von Red Kaos schaut eigentlich ständig jemand in der Landeshauptstadt vorbei.
Blut und Schmerz – Körper voller Narben
Die Zweitligazeit, von 2004 bis 2006, stellte einen harten Bruch in der Gruppenentwicklung dar. In dieser Zeit lief der Motor und drehte immer mehr und mehr auf und die Zeichen des Stotterns wurden dabei mehrfach überhört. Der sportliche Aufschwung seit 2002 (von Liga Vier in Liga Zwei) bescherte neue Zuschauer und Klatscheinlagen über die komplette Lennékurve. Aber bekanntlich hat jede Medaille zwei Seiten und so brachte dieser Aufschwung auch Probleme mit sich.
Das wohl größte Problem stellte die typische Bundesliga-Publikumsstruktur dar. Anfangs freute man sich noch, dass Dynamo endlich wieder „in“ war und dank der Massen noch größere und bessere Choreos durchgeführt werden konnten. Doch das typische Event-Publikum hatte zum Großteil keinerlei Respekt vor der vorhandenen Fankultur. Personen, die uns während der Spendensammlungen für Dynamo noch den Vogel zeigten, feierten sich nun als die größten Fans überhaupt und waren wenig angetan von diesen „Ultras“. Zum Teil wurde versucht Choreos mutwillig zu zerstören, um vermeintlich eine halbe Minute mehr vom Spiel zu sehen. Im Fanblock (!) wurde gefordert, doch gefälligst Fahnen oder Spruchbänder zu entfernen. Erstmals seit Ewigkeiten verließen Zuschauer bei schlechten Spielen vorzeitig das Stadion.
Auch Gruppenintern kam es zu Problemen. Um die vergangenen Erfolge zu steigern, sollte die Mitgliederzahl erhöht werden. Viele Neumitglieder steuerten jedoch nichts zum Gruppenleben, oder gar zu Choreos bei. Eine weitere Schwierigkeit stellte der Generationskonflikt dar, welcher schließlich beinahe zur völligen Lähmung der Gruppe führte. Erst als es fast zu spät war und eine Auflösung der Gruppe im Raum stand, besann man sich zurück zur eigentlichen Gruppe Ultras Dynamo.
Der Abstieg im Jahr 2006 war dann, so bitter es klingen mag, die Rettung für die Gruppe. Zwei Gänge runtergeschalten, in dem das Mitgliedersystem überdacht wurde und man sich von einigen Leuten trennte, katapultierte uns diese Entscheidungen nach vorne und so konnte wieder angegriffen werden. Der Nachwuchs hatte den Karren letztlich aus dem Dreck gezogen, musste aber natürlich Lehrgeld zahlen.
Alles in allem war dies eine schwere Zeit, aber förderlich und wichtig für die Erneuerung der Gruppe.
SGD – für dich alles geben!
Mit einer neuen Behausung, liebevoll “Schimmelschänke” genannt, neuen Ideen unter engerer Einbeziehung der gesamten Szene, sowie Aufnahme der aktiven Vereinsarbeit, startete man neu durch und holte Schwung für die nächsten Jahre. Dieser Schwung wurde auch benötigt, denn in den Jahren 2006 bis 2008 warteten doch so einige Herausforderungen auf uns. Eine davon war die Rückbenennung des Vereins, der nach einen von uns initiierten Mitgliederbeschluss zum 01.07.2007 wieder offiziell als Sportgemeinschaft Dynamo Dresden an den Start geht.
Die Zeit war allerdings auch geprägt von Kämpfen gegen eine nicht hinnehmbare Geschäftsführung, gegen immer schärfere Maßnahmen der Bullen (der Auslöser war sicherlich das Spiel SG Dynamo Dresden II – Lok Leipzig) und die ortsansässige Presse. Letzterer Kampf wurde vor allem durch einen Trainingsbesuch im Jahr 2007 entfacht, in dessen Folge die Gruppe die aktive Unterstützung bei Heimspielen für eine halbe Saison aussetzte.
Doch auf zuhalten waren wir nicht und gingen aus diesen Jahren gestärkt hervor und konnten so nach Anfangsproblemen auch den neuen K‑Block mit Leben füllen. „K‑Block – Schild und Schwert der SGD“.
Schöne Choreos, coole Pyroshows, Mottofahrten, “Fanklub diebische Elster”, neue große Trommel „dicke Berta“ und nun auch die Horde Zla vom FK Sarajevo an unserer Seite! Es lief bis zum Jahr 2010. Fast genau fünf Jahre nach der letzten, schweren Krise, folgte ein kapitaler Motorschaden.
Dynamo – du bist unser Leben!
Die so viel gepriesene Einheit der Fanszene stand auf dem Spiel. Verschiedenste Ansichten, dutzende Grüppchen, unterschiedliche Meinungen! Erst ein reinigendes Gewitter innerhalb der Szene und die Aufstellung bestimmter Regeln und Werte führten zurück zu alter Stärke und der Motor K‑Block steigerte sich zu Höchstleistungen. Mehr und mehr engagierte man sich auch in anderen Bereichen des Fanlebens, die in den letzten Jahren entweder vernachlässigt wurden oder bis dato noch nie von großen Interesse in Dresden waren. Einerseits wurde die Vereinsarbeit wieder verstärkt in den Fokus gerückt, wobei hier besonders der Erfolg bei den Aufsichtsratswahlen 2013 zu nennen ist, bei dem durch den Einsatz unserer Gruppe und des Umfelds eine vereinspolitische Katastrophe abgewendet wurde und ein breit aufgestellter und teilweise fanfreundlicher Aufsichtsrat gewählt wurde. Zum anderen traten wir nun erstmalig auch bei überregionalen und bundesweiten Faninitiativen in Erscheinung und prägten diese bis zu einen gewissen Punkt mit. In Erinnerung bleibt hier unser Auftritt bei der Fandemo in Berlin und die Aktionen zur Kampagne 12:12. Und auch wenn die Pyrotechnik-Kampagne im Sande verlaufen ist, bleiben wir dieser Bewegung weiterhin treu, in dem wir uns vor allem im Stadion für sie stark machen.
Neue Blockfahne, Highlights beim DFB-Pokal in Dortmund, zum 60. Geburtstag unserer SG Dynamo Dresden, oder bei den Relegationsspielen gegen Osnabrück. Einklatschen mit dem ganzen Stadion, ein neues Domizil, „Fick dich DFB“ in Frankfurt und einige erfolgreich geschlagene Schlachten — zufrieden können wir auf die letzten Jahre blicken. Die Fanszene wurde weiter gebündelt und die Kommunikation untereinander ausgebaut. Gemeinsam haben wir dem Verein unseren Stempel aufgedrückt und, einiger Rückschläge zum Trotz, für Werte wie „Tradition“, „Ehre“, „Respekt“ und „Treue“ untereinander gekämpft und diese mit Leben gefüllt.
Daran werden wir auch weiterhin arbeiten. Gemeinsam werden wir den K‑Block weiter mit der nötigen Energie versorgen, die er benötigt, um unseren Verein weiter voranzubringen.